Auch wenn wir virtuell alle vereint sind, gibt es im Online-Leben immer noch viele Unterschiede und Hemmschwellen. Besonders brisant wirkt sich dies im eCommerce aus, denn hier geht es nicht “nur” um Präsenz, sondern (erst recht) um Geld. Wer in anderen Ländern Geschäfte machen will, tut deshalb gut daran, sich mit deren kulturellen Gepflogenheiten auseinanderzusetzen.
Versetzen Sie sich in die Lage Ihrer Kunden im Ausland
Stellen Sie sich einmal vor: Sie fahren nach Indien in den Urlaub. Überall versuchen Händler, Ihnen ihre Waren zu offerieren. Doch Sie sprechen deren Sprache nicht, die Händler sprechen Ihre Sprache nicht. Abgesehen vielleicht von ein paar Brocken, die sich im Laufe ihres Händlerdaseins als nützlich erwiesen haben.
Die Dinge, die man Ihnen anbietet, sagen Ihnen ohnehin nicht zu, vor allem diverse lokale kulinarische Köstlichkeiten finden Sie etwas grenzwertig. Sie haben auch keine Lust, ständig die Währungen umzurechnen, und mit Kreditkarte zahlen Sie generell nicht bei dubiosen Händlern. Außerdem irritiert Sie die Hartnäckigkeit und das ständige Lächeln. – Dies war ein kleiner Ausflug ins Offline-Shopping.
Und Sie werden es ahnen: All diese und ähnliche Probleme beherrschen auch das Online-Shopping. Wenn Sie als Händler die kulturellen Unterschiede beim eCommerce nicht beachten, setzen Sie im schlimmsten Fall viel Geld in den Sand.
Andere Länder, andere Sitten – Anpassung fördert den Verkauf
Die folgende Auflistung zeigt die wichtigsten Bereiche auf, in denen Sie als Online-Händler mit kulturellen Unterschieden konfrontiert werden können:
Sprache
Es genügt nicht, den Online-Katalog einfach 1:1 in die andere Sprache zu übersetzen. Schon gar nicht per Google oder Bing. Hier ist vielmehr die tatkräftige und kompetente Hilfe erfahrener Lokalisierer erforderlich. Denn wenn Sie nicht ein wirklich heißes Produkt haben, das es weltweit und exklusiv nur bei Ihnen gibt, wird man Ihnen Ihre schlecht übersetzen Seiten gewissermaßen um die Ohren hauen, sprich:
Der Kunde wird Ihren Shop sehr schnell wieder verlassen. Oft reagieren Kunden sogar bereits empfindlich auf kleine Rechtschreibfehler oder sprachliche Schludrigkeiten. Schlechte Übersetzung zeugt von mangelndem Respekt, der Kunde fühlt sich nicht wohl und schließt möglicherweise von der Qualität der Übersetzung auf die Qualität des Produkts. 1:0 für Ihren Mitbewerber, der es besser macht.
Währungen
Bei allen Diskussionen um die Einführung des Euro hatte und hat er zumindest einen Vorteil: Das Einkaufen und Bezahlen aus Käufersicht sowie aus Händlersicht das Anbieten, Verkaufen und Kassieren sind sehr viel einfacher geworden.
Doch andere Länder verwenden noch immer ihre gewohnten Zahlungsmittel, und selbst der US-$ (es gibt auch Australische und Kanadische Dollar) oder das Britische Pfund (es gibt auch Ägyptische Pfund) sind keine Weltwährung. Kunden erwarten Preisangaben in ihrer Landeswährung. Eine Funktion (Skript) zur direkten Umrechnung sorgt zumindest für etwas mehr Komfort als ein Link auf eine offizielle Umrechnungsseite.
Zahlungsformen
(Nicht) Nur Bares ist Wahres – so wie auch offline nicht überall cash das Zahlungsmittel der Wahl ist, gibt es auch im eCommerce unterschiedliche Beliebtheitsgrade in puncto Zahlungsformen.
Während in Deutschland noch immer das Überweisen nach Rechnungserhalt recht beliebt ist, sind in anderen Ländern Kreditkarte oder PayPal als Zahlungsmittel recht beliebt. Andererseits sind nicht alle Möglichkeiten überall verfügbar. So ist es in einigen Ländern beispielsweise nicht möglich, per PayPal zu bezahlen, etwa in Pakistan.
Traditionen
Neben den eher monetären Unterschieden sind auch die eigentlich kulturellen Bedürfnisse und Unterschiede zu berücksichtigen. Gewohnheiten und Traditionen spielen in vielen Ländern eine noch recht große Rolle. Zuwiderhandlungen, egal ob bewusst oder unwissentlich, werden sanktioniert, zum Beispiel auch durch Nichtkaufen.
Türöffner
Es gibt, meist unausgesprochen, in jeder Kultur gewisse Türöffner, die Sie auch als Online-Händler beachten sollten. Während zum Beispiel in Deutschland sehr viel Wert gelegt wird auf die Seriosität und das äußere Erscheinungsbild des Händlers und des Angebots, spielt im orientalischen Raum unter anderem der Beziehungsaspekt eine wichtige Rolle.
Bodenständigkeit
Unbekanntes und Neues kann je nach kulturellem Hintergrund Neugier (und damit Kauflust) auslösen, aber auch Skepsis und sogar Angst und damit Kaufzurückhaltung.
Freizeit
Auch die jeweilige Freizeitkultur kann je nach Produkt eine große Rolle im eCommerce spielen. Während Deutschland im Fußballfieber liegt, brennt man in diesem Zusammenhang in den USA nicht für Football (Stichwort “wörtliche Übersetzung”), sondern für Soccer. In Australien ist es noch etwas komplizierter, da die gleiche Sportart je nach Gegend Football, Soccer oder Rugby heißt.
Ernährung
Andere Länder haben nicht nur andere Gerichte, sondern auch andere Maßeinheiten (zum Beispiel cups und spoons in den USA statt des Kilo/Liter-Systems), andere Zubereitungsarten (Tajine in Marokko), andere Zusammenstellungen (Lamm mit Pfefferminzsoße), andere Festtagsmenüs (Truthahn statt Weihnachtsgans), andere Essenszeiten (Dinner), andere Essgewohnheiten (Stäbchen oder Finger) und möglicherweise auch andere Speisegesetze (koscher oder halal).
Religion
Dass religiöse Sachverhalte den eCommerce beeinflussen, mag zunächst befremdlich (sic!) erscheinen. Die bereits erwähnten Speisegesetze (koscher, halal) fallen bereits hierunter. Aber auch Abbildungsverbote (aktuelle Diskussion der Mohammed-Karikaturen) sollten tunlichst beachtet werden.
Dort, wo das Leben stark durch die Religion geprägt ist, bieten entsprechende Festtage Möglichkeiten für besondere Shop-Angebote. Ein Kalender der entsprechenden religiösen und nationalen Feiertage sollte deshalb unbedingt im Online-Verkauf berücksichtigt werden.
Logistik
Der Transport in andere Länder ist vielfach noch mit Problemen und enormen Kosten behaftet. Auch der Zeitfaktor spielt hier eine wesentliche Rolle. So bietet beispielsweise Amazon auch den Einkauf in den fremdländischen Filialen. Der Anteil derer, die bei landesfremden Shops wie Amazon.com, Amazon.fr oder Amazon.co.uk kaufen, dürfte allerdings eher gering sein.
Als mittelständisches Unternehmen, kleines Unternehmen oder gar als Einzelkämpfer haben Sie diesbezüglich eher noch schlechtere Karten. Selbst der Verkauf digitaler Medien kann an der Logistik scheitern, wenn nämlich nationale Firewalls generell den Download beschränken oder wenn eine schlechte Netzinfrakstruktur den Download der heute üblichen Mega-Dateien erschwert.
Steuern
Wo Gelder fließen, ist der Fiskus nicht mehr weit. Dies betrifft nicht nur Sie als Unternehmer, sondern auch Ihre fremdländischen Kunden. Mehrwertsteuer-Änderungen wie Anfang 2015 in Luxemburg, Pflicht zum Ausweis der Mehrwertsteuer, unterschiedliche nationale ermäßigte Steuersätze und unterschiedliche Preise durch unterschiedliche Steuersätze sind in den Angeboten, Einkaufskörben, Rechnungen und der Buchhaltung zu beachten.
Für Sie bedeutet dies unter anderem auch unterschiedliche Preis- und Gewinnspannen und die Pflicht, die Steuern in anderen Ländern abzuführen (Stichwort neue EU-Umsatzsteuer-Verordnung für elektronisch erbrachte B2C-Leistungen; Link: http://www.e-recht24.de/artikel/steuerrecht/8019-neue-umsatzsteuer-2015.html).
Insgesamt kann eCommerce also die kulturellen Unterschiede der jeweiligen Länder nicht unberücksichtigt lassen. Im Gegenteil: Je heimischer der potenzielle Kunde sich in Ihrem Shop fühlt, desto eher wird er bereit sein, sein Portemonnaie oder seine Kreditkarte zu zücken – oder auch per PayPal zu bezahlen.
Gastbeitrag von Ljubica Negovec
Über die Autorin: Ljubica Negovec ist die Geschäftsführerin vom Übersetzungsbüro Allesprachen in Wien. Nicht vergessen: Folgen Sie Allesprachen auch bei Facebook.
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